Wir basteln ein Zirkuszentrum (Teil 3)

Dies ist Teil drei unserer Reihe Wir basteln ein Zirkuszentrum – eine mehrteilige Serie, in der wir die Verwandlung einer alten Werkstatt in die werkstatt Mörlach (die Webseite beschreibt unsere Pläne ganz gut) begleiten und unsere Erfahrungen mit Euch teilen.

Zum besseren Verständnis lohnt es sich, vor den kommenden Absätzen einmal Wir basteln ein Zirkuszentrum (Teil Eins) und Teil Zwei zu lesen. Viel Spaß bei der Lektüre – wir freuen uns über gute Tipps und jede Art von Fragen!

Prolog im wilden fränkischen Westen

Wir schreiben den Winter des Jahres 1852. Eine einsame Gestalt kämpft sich in zerlumpten Kleidern durch das dichte Schneegestöber der mittelfränkischen Prärie. Durch das Tosen des Windes sind lediglich von Zeit zu Zeit die hoffnungsvollen Rufe der wartenden Aasgeier zu hören. Ein zugeschneites Schlagloch lässt unseren Helden straucheln, zwingt ihn auf die Knie. Durch seine zusammengekniffenen Augen kann er durch den weißen Vorhang aus Kälte das verheißungsvolle Glimmen der Bechhofener Stadtlichter ausmachen.

Von neuem Antrieb erstarkt erhebt sich Bernhardt Schmidt und stemmt sich gegen den tosenden Wind. Nur noch ein paar hundert Meter bis zu seiner Rettung, denkt er sich. Falls er es lebend bis nach Bechhofen schaffen sollte, wird er das Ganovenleben an den Nagel hängen und einen normalen Beruf ergreifen. Vielleicht Schuhmacher, oder Metzger, oder – eine schneidende Windböe ergreift seine Zukunftpläne und reißt sie mit sich. Noch ist er nicht in Sicherheit…

Um zehn Uhr früh auf Kneipentour

So ungefähr wird sich wohl die Vorgeschichte 1852 erbaute Wirtschaft zur Bürgerstube Metzgerei von B. Schmidt zugetragen haben, denke ich, als Daniel von unserem Tagesausflugsziel berichtet. Eine alte Kneipe, mittlerweile geschlossen und dem Abriß geweiht. Wir dürfen heute rein und mitnehmen, was eigentlich niet- und nagelfest ist und vor allem: Was wir für unser Zirkuszentrum gebrauchen können.

Um zehn Uhr kommt Freund Roland vorbei und wir starten unsere heutige Tour. Mit dabei: Ein Anhänger, jede Menge Werkzeug und große Neugier, was die alte Kneipe für Schätze bereithalten wird.

Eine Garderobe mit blutiger Geschichte

Bevor wir uns den eigentlich Kneipenraum vorknöpfen, erstmal ein Blick in das ebenfalls abzureißende Hinterhaus. An der Wand springen uns direkt zwei Garderoben ins Auge. Welchen Zweck die wohl früher erfüllten? Bevor mein Kopfkino in Fahrt kommt, klärt Daniel mich über die Hintergründe auf: Da wurden früher Schweinehälften aufgehängt. Aha. Okay. Metzgerei, stimmt ja. Aber es sind tatsächlich ziemlich praktische Garderobenhaken, dazu maximal unIKEAesk und vor allem völlig kostenlos.

Also raus mit der Flex und ran an die Schweinehälftenaufhängung. Nur zur Sicherheit halten Daniel UND Roland beidhändig unsere zukünftige Garderobenleiste fest, während ich den letzten Träger durchtrenne. Die mir Nachsehen ersparende Vorsicht war berechtigt, das Ding ist – haha – sauschwer und hätte mich bei einem Stelldichein mit der Schwerkraft sicherlich in arge Bedrängnis gebracht.

Bankdrücken & Bankziehen

Im alten Kneipenraum begrüßt uns dann freudig das Hauptprojekt unseres Ausflugs: Mehrere geschichtsbesessene Wandbänke warten darauf, durch uns vor dem Sperrmüll gerettet zu werden. Während wir unsere neuen Werkstattmöbel nach und nach in ihre Einzelteile zerlegen und vor die Tür für eine kurze Grundreinigung tragen, fallen uns einige Zeitungsschnipsel auf, die auf der Rückseite der Lehnen kleben. Dort entdecke ich mein Lieblingswort des Tages: Schelmerei.

Während sich im Hinterhof die Bankbestandteile türmen, frage ich mich, wie wir das wohl alles mit unserem mir immer kleiner erscheinenden Anhänger abtransportieren sollen. Wir sind zwar mittlerweile Profis im Tetris für Fortgeschrittene, aber diesmal ist das Spielfeld wesentlich kleiner als ein Großteil der zu arrangierenden Möbel…

Fliese Fliese an der Wand

Bevor das große Einpacken losgeht jedoch ein unerwarteter Fund im Nebenraum: Das sind doch genau unsere Gästebadfliesen an der Wand! Von denen wir im Zuge unserer Umbauten leider mehrere zwecks Wasserverlegung zerstören mussten. Die man eigentlich nirgendwo nachkaufen kann. Was für ein Schnäppchen, hier sind ungefähr ein paar hundert an der Wand und wir brauchen nur fünf.

Unser Freund, die Flex, wird in den Fliesenraum geholt, durch Ansägen der Fugen versprechen wir uns halbwegs einfaches Herauslösen vollständiger Fliesen. Soweit der Plan, die Realität sieht leider anders aus bzw. die Realität sehe ich erstmal gar nicht mehr, denn alleine das Fugenflexen erzeugt einen Sturm aus Staub in dem kleinen Zimmer. Ich taste mich durch den dichten Nebel zur Tür und lasse die Schwaden erstmal hinter mir. Wir wollten sowieso eine Pause machen, danach kümmere ich mich weiter um die zu rettenden Fliesen.

Nach einer halben Stunde hat sich der Nebel zwar etwas gelichtet, die Fliesen zeigen sich jedoch trotz meiner fugenfräsenden Vorarbeit wenig beeindruckt von unserer Idee, sie in ganzen Teilen von der Wand zu lösen. Ich schaffe es gefühlt zwanzig Mal fast, leider kein einziges Mal ganz. Völlig entnervt stehe ich in den Trümmern und frage mich, warum wohl jemand anderes schon vorher einen Teil der Wand von Fliesen befreit hat. In einem abzureißenden Haus.

Der von meinem Vorgänger erzeugte Fliesenschutt liegt zwischen meinen Füßen und ich fühle mich schlagartig wie der größte Depp der Fliesenklopfer. Auf den Knien wühle ich zwischen den Schwerben und tatsächlich: Vier völlig unversehrte Fliesen kann ich bergen, die fünfte hat einen kleinen Sprung an einer Seite. Unperfekt macht menschlicher, also die fünf Fündstücke schnell eingepackt und raus aus der Staubhölle. Zur Wiederbelebung des Arbeitsethos posiert Daniel mit Nachttopfhelm akrobatisch auf dem Busdach für mich.

Epilog: Tetris & Trinksport

Es ist unglaublich, aber Roland ist ein echter Packfuchs. In Windeseile sind sämtliche Möbelteile auf unsere Autos und den Anhänger verteilt. Und tatsächlich ist noch soviel Platz im zweiten Wagen, dass ich kurz mit ein paar historischen Stühlen liebäugle. Ob wir die auch mitnehmen dürfen, frage ich die Hausbesitzerin. Leider verneint sie, da ihr Sohn die von uns sonst völlig ausgeräumten Kneipe noch als Partyraum benutzen möchte. Ach ja, da stand doch noch so ein Tisch mit Getränken im Nebenzimmer – dann noch schnell vor der Abfahrt vorurteilsbelastet von Alkoholsorte auf Trinker schließen, das lasse ich mir nicht entgehen.

Auf dem Tisch in Nebenzimmer stehen verschiedene Arten von Kopfschmerzen in Flaschenform. Dazu Plastikbecher für lange und kurze Getränke. Sieht alles nach einem gesitteten Feierabend in stimmungsvollem Ambiente aus. Eine Schelmerei, da an etwas anderes zu denken. Nun aber los, es gibt Möbel zu verräumen.

Wir basteln ein Zirkuszentrum

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