Wir basteln ein Zirkuszentrum (Teil 5)

Dies ist Teil fünf unserer Reihe Wir basteln ein Zirkuszentrum – eine mehrteilige Serie, in der wir die Verwandlung einer alten Werkstatt in die werkstatt Mörlach (die Webseite beschreibt unsere Pläne ganz gut) begleiten und unsere Erfahrungen mit Euch teilen.

Zum besseren Verständnis lohnt es sich, vor den kommenden Absätzen einmal Wir basteln ein Zirkuszentrum (Teil Eins), Teil Zwei, Teil Drei und Teil Vier zu lesen. Viel Spaß bei der Lektüre – wir freuen uns über gute Tipps und jede Art von Fragen!

Die lange Reise des Zitronenfreunds

Eine Autovermietung inmitten der fränkischen Provinz zwischen Ansbach und Nürnberg. Der Fuhrpark erwacht blinzelnd in der strahlenden Julisonne, die ersten Kunden tapsen noch schlaftrunken um ihre Mietwagen herum. Dann plötzlich Aufruhr im morgendlichen Idyll der Leihwagen: Ein Auto mit Bonner Kennzeichen schnürt rasant über den Parkplatz und lässt Kunden sowie Vermieter an der geschmackssicheren Musikauswahl der Fahrer teilhaben.

Die beiden Jecken steigen aus und nehmen Kurs auf die Anmeldung. Ein stilisiertes Zirkuszelt prangt auf dem Shirt des Kleineren. Geheimratsecken prangen auf der Stirn des Größeren. „Wir hatten einen Sprinter bestellt.“ Der kleinere artikuliert seinen Namen, der Größere seine Vorfreude. Die Zwischenlagerung der Geräte in der Scheune eines Freundes starte bloß den Countdown für den finalen Umzug in die Werkstatt.

Die Dame an der Anmeldung weiß nicht, um welche Geräte und welche Werkstatt es geht, wohl aber, dass der Größere nach einer Mischung aus Kaffee und Zitrone aus dem Mund riecht. Während Sie die nötige Bürokratie auf den Weg bringt, legt der Geheimratsbeeckte nach und fischt aus seiner Hosentasche verblüffend schnell ein weißlich-gelbes Lutschbonbon. „Zitrone ist tatsächlich auch ganz lecker.“ Der Größere lutscht vergnügt, der Kleinere unterschreibt.

Und so kam es, dass ich meinen eigenen, im Sprinter verlorenen Fisherman’s Friend etwa ein halbes Jahr später – beim Verladen der Turnhallengeräte in unsere Werkstatt – im Mund hatte.

Hinweis an die neuen Leser: Das Ende von Teil Vier hilft dem Verständnis auf die Sprünge.

Missverhältnis Mischverhältnis

Wir beratschlagen über die Farbe des anstehenden Werkstatt-Anstrichs. Daniel und Hannah sind mittlerweile Profis auf diesem Gebiet, da sie sich gefühlte Wochen mit der zukünftigen Farbgebung Ihres Wohnzimmers beschäftigt haben. Ich habe die Prospekte nur flüchtig durchgeblättert und war überrascht, wie viele Spielarten von „Weiß“ es anscheinend gibt und auf welche klangvollen Namen die so alle hören. Mein Lieblingsfarbton ist „Chinesischweiß“, da ich immer „Chinesi-Schweiß“ lese und dann kurz verwundert bin, dass so ein bescheuertes Wort in einem Farbprospekt steht.

Jedenfalls haben sich die beiden für eine Abtönung durch Ocker entschieden und diese wollen wir nun an die Wände des Wohnzimmer und vielleicht dann auch später in die der Werkstatt bringen. Der vermeintlich so einfach Mischvorgang ist dann doch nicht ganz so simpel. Folgende Problematik zwingt Mischmeister Daniel und mich zu einer längeren Denk- und Diskussionspause:

Die Verkäuferin der Ockerfarbe meinte, dass genau die Hälfte der Farbe, nämlich 175g in einen Eimer weiße Farbe gemischt werden sollen. Dementsprechent reichte eine Farbdose für zwei Mischungen. Wir stehen nun vor der halbleeren Farbdose und merken, dass nicht die Farbe in der Dose insgesamt 350g wiegt, sondern die Dose MIT der Farbe zusammen. Was also jetzt tun? Weniger in die weiße Farbe mischen, um zwei Mischungen machen zu können? Genau 175g abwiegen und damit zum Nachkauf verdonnert werden? Wie wirkt sich das wohl auf den Farbton aus? Wieviel wiegt wohl die Dose alleine? Was für dämliche Fragen als Start in unseren Streichtag?

Daniel entscheidet nach langem Hin und Her zu Gunsten der Verkäuferin. Wir müssen also Nachkaufen und kippen die empfohlenen 175g (nicht die Hälfte!) ins Weiß.

VerzOckert

Wir rühren die nun mit Ocker versetzte Farbe an und machen einen Probeanstrich. Anstatt einer ansehlichen Weißabtönung ist die Wand mit kleinen Ockerflecken besprenkelt. Bei weiterem Überstreichen platzen die kleinen Ockerblasen auf und machen das ganze ockerig-streifig. So hatten wir uns das nicht vorgestellt.

Daniel erfährt von der Verkäuferin telefonisch die Lösung des Problems. Wir müssen die ganze Farbe nochmal sieben. Glücklicherweie haben wir natürlich unser Farbsieb bereits in Reichweite gestellt… haben wir natürlich nicht und mit was zum Teufel siebt man denn einen Eimer Farbe? Alle potenziellen Kandidaten sind entweder zu grob- oder engmaschig.

Ich hab dich Sieb, Herzdamenstrumpf

Unsere zwei verzockten Mischmeister gehen in sich, erinnern sich an ihre Anfänge als Zirkuspädagogen: Mit Kindern Jonglierbälle basteln. Reis, Luftballons und Damenstrupfhosen, damit bei einem möglichen Reißen der Ballons nicht das Eheschließungsfeuerwerk losgeht. Weil die Damenstrumpfhosen aus dem Supermarkt eben preiswert, reißfest und eng- aber nicht zu engmaschig sind… Moment mal?!

Eine wilde Kreation, die wir jetzt bauen: Ein doppelter Damenstrumpf wird an einen abgeschnittenen 1-kg-Joghurtbecher mit Klebeband befestigt – fertig ist das Farbsieb. Daniel hat noch jede Menge Jonglierball-Bastelmaterial herumliegen und so basteln wir uns gleich noch lustige Damenstrumpfmützen für einen stilsicheren Streichlook. Ob unsere Konstruktion hält, was wir uns von ihr versprechen? Let’s find out!

Farbe eutern & stilsicheres streichen

Wir beschließen, dass die angemessene musikalische Untermalung zu unserem Siebvorhaben „Wind of Change“ von den Scorpions ist. Immerhin haben wir vor, die Wandfarbe des Raums großflächig zu verändern und dafür ist eine Wendenhymne sicherlich nicht zu großspurig gedacht.

Mit Plastikhandschuhen ausgestattet knie ich hoffnungsvoll vor einem mit gesiebter Farbe zu füllenden Eimer. Daniel schleppt die Ockerflockenmasse herbei und schenkt die erste Runde ein. Es scheint zu funktionieren! Am Ende des doppelten Damenstrumpfs bildet sich allerdings ein beeindruckender Farbeuter, den ich dann händisch durch das Strumpfsieb massiere. Waren meine losen Fisherman’s Friends in der Hosentasche bereits eine haptisch aufregende Erfahrung – die Farbeutermassage ist dagegen ein Feuerwerk des Noch-Nie-Gefühlten. Daniel kippt nach, ich massiere den Farbeuter, die Scorpions musizieren episch aus dem Nebenzimmer. Was für ein Start in den Tag!

Tatsächlich hat das Ganze auch noch jemand gefilmt…

Wir basteln ein Zirkuszentrum

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