Wir basteln ein Zirkuszentrum (Teil 6)

Dies ist Teil sechs unserer Reihe Wir basteln ein Zirkuszentrum – eine mehrteilige Serie, in der wir die Verwandlung einer alten Werkstatt in die werkstatt Mörlach (die Webseite beschreibt unsere Pläne ganz gut) begleiten und unsere Erfahrungen mit Euch teilen.

Zum besseren Verständnis lohnt es sich, vor den kommenden Absätzen einmal Wir basteln ein Zirkuszentrum (Teil Eins), Teil Zwei, Teil Drei, Teil Vier & Teil Fünf zu lesen. Viel Spaß bei der Lektüre – wir freuen uns über gute Tipps und jede Art von Fragen!

Vorhang auf(hängen)!

Mit einem Kindergeburtstag zum Thema Zirkuskünste steht die erste werkstatt-Veranstaltung an und in der Hälfte des Trainingsraums stehen immer noch gefühlt hundert Umzugskartons sowie Möbelstücke für ein halbes Dorf (etwas übertrieben, aber mit Kindern stellen wir tatsächlich sieben Prozent der Bevölkerung Mörlachs). Die Idee: Vorhänge als Raumtrenner, die auch später zu Workshopzwecken sinnvoll raumstrukturierend genutzt werden können.

Nach langem Gebohre, Geschraube und Gefluche ist die Umzugstetriswüste hinter einer augenberuhigenden, schwarzen Vorhangfläche verschwunden. Allerdings – warum hängen die drei Vorhangteile nicht gleichweit über dem Boden? Wir hatten doch nachgemessen! Natürlich hätten wir das nach unseren bisherigen Bauerfahrungen besser wissen müssen: Die werkstatt-Decke ist selbstverständlich nicht überall gleich hoch. Und deshalb der Bodenspalt nun auch nicht. Wir legen die Weichbodenmatte vor den Problemspalt und freuen uns über die nun versteckte Arbeit.

Für die anstehenden Renovierungswochen muss der ganze Kram dann ja doch komplett raus. Aber der Kindergeburstag kann kommen.

Hab- und Gütertrennung

Und die Bauwochen kommen schneller als gedacht. Eine Woche streichen, eine Woche Boden – so die Planung. Und bevor der erste Pinsel geschwungen werden kann, muss unser Umzugspröll aus der werkstatt auf den sich nun beängstigend schnell füllenden Dachboden. Wir wohnen nun fünf Monate hier und haben gefühlt ein Drittel unseres Besitzes nicht angefasst. Sollte uns das zu denken geben?

Auf jeden Fall gibt es uns zu schleppen und wir eiern mit Kartons, Möbeln und viel zu viel alten werkstatt-Utensilien unseres Vorgängers die immerhin angenehm breite Treppe zum Dachboden hinauf. Oben angekommen türmt sich unser Besitz auf zwei riesigen Haufen. Ich hoffe stark, dass wir nicht nochmal soetwas wie den Korkenzieher (zehn Kartons dafür aufgemacht) oder die Küchenwage (zehn Kartons aufgemacht, nicht gefunden) suchen werden, bis die Wohnungen komplett fertig sind und wir den Kram einräumen können.

Crowdpainting

Die Streichwoche beginnt und es ist ein gemeinschaftliches Fest! Die Unterstützung rollt in gefühlten Autokorsos auf unseren Hof, die Woche beginnt als eine einzige Streichparty. Wir haben so viele Helfer, dass sich zwei davon noch dem alten Brotbackhaus auf unserem Gelände widmen können und es tatsächlich nicht nur sauber, sondern auch ans Laufen also backen bekommen. Und so feiern wir nach getaner Arbeit ein idyllisches Helferfest im Garten und sind bester Dinge, dass wir mit der Zeitplanung hinkommen.

Nicht um Boden verlegen

Die zweite Bauwoche beginnt, die Helfer sind wieder weg, die Arbeit leider nicht. Der Boden muss rein, die Dämmung haben wir schon in der Streichwoche reingepuzzled. Nach Absprache mit unserem Tischlerfreund und Blick auf unseren Kontostand liegen nun Palettenweise OSB-Platten zum Verlegen bereit.

Die Abkürzung OSB steht für oriented strand board und bedeutet so viel wie „Platte aus ausgerichteten Spänen“. Im Gegensatz zu anderen Spanplatten bestehen OSB Platten aus verleimtem Durchforstungsholz mit deutlich geringerem Leimanteil.

Und mit eben diesen ausgerichteten wahrscheinlich Millionen von Spänen geschieht das Wunder: An der Schnittstelle zweier Platten setzt sich eine Musterung millimetergenau über den Stoß fort (Bild fünf). Zufall? Schicksal? Unwichtig? Daniel und ich entscheiden uns für Wunder und messen, sägen, verlegen weiter.

Es ist erstaunlich, wie einfach es anscheinend ist, Messfehler zu produzieren. Am zweiten Tag passieren uns die absurdesten Fehler. Eine Platte ist noch zu lang, wir messen nach: Zwei Zentimeter noch weg an Kante X. Wir sägen zwei Zentimeter an Kante X ab. Jetzt ist die Platte plötzlich vier Zentimeter zu kurz und dafür an Kante Y sieben zu lang. Wie kann das alles sein? Zufall? Schicksal? Dummheit? Wir entscheiden uns für Wunder, messen nochmal und sägen nochmal verlegen weiter.

Schleifen, schleifen, schleifen

Wir haben zwei Schleifmaschinen ausgeliehen und Daniel erklärt mir die wichtigsten Eckpunkte des Bodenschleifens. Nicht mit Druck, sonst haut das Ding ab! Beim ersten Gasgeben habe ich das Gefühl einen wilden Stier unter Kontrolle bringen zu müssen. Je mehr er bockt, desto mehr halte ich dagegen. Je mehr ich dagegen halte, desto mehr bockt er. Daniels Gelächter nach zu urteilen fühlt es sich nicht nur an wie peinliches Amateur-Rodeo – es sieht wohl auch so aus. Erst als ich die Zügel locker lasse beruhigt sich die tobende Maschine unter meinen Händen uns gleitet sanft schleifend über den Boden. Wieder was gelernt.

Dann einfach nur noch: Tagelanges Schleifen. Wir haben Musik auf den Kopfhörern, darüber den Gehörschutz und ich habe endlich Zeit für die ganzen Alben, die ich aus Zeitgründen bisher auf den „zu hören“-Stapel geschoben hatte und ein paar lang nicht mehr gehörte Klassiker. Meine Top Fünf Schleif-Lieder:

  1. 65daysofstatic: Unmake The Wild Light
  2. Poly-Math: Ekerot
  3. Magnus Deus: Ghost In The Shell
  4. Perturbator: Future Club
  5. Mammút: Kinder Version

Ölend schwitzen

Nach fünf Schleifgängen habe ich ein schon fast väterlich anmutendes Gefühl gegenüber unseren OSB-Platten entwickelt. Nun also ölen. Wie Daniel uns erklärt, ist das Öl völlig chemikalienfrei und dementsprechend nicht künstlich dem natürlichen Geruch beraubt. Wir beginnen zu ölen und sitzen nach fünf Minuten gefühlt in einem Sauna-Aufguss-Dunst. Und transpirieren auch noch arbeitsbedingt stark vor uns hin. Es ist ein großartiger Spaß!

Dürstende Platte um Platte labt sich an unserer Ölung, wird abgewischt, poliert, nachgeölt… Ich kann nicht glauben, was mir durch den Kopf geht: Ich bin so beseelt davon, meinen liebgewonnenen Platten Gutes (also Öl) zu tun, dass ich am Liebsten noch tagelang weiter ölen und polieren würde. Private Deadlines zwingen uns jedoch am zweiten Öltag zur verdienten Ruhepause.

In freudiger Erwartung unserer Eröffnung am 24. September dünstet nun die werkstatt vor sich aus und hin und sieht tatsächlich sehr verändert aus. Jetzt nur noch: Fußleisten, Aufhängungen, Theke, Lampen, Bank und ein paar weitere Kleinigkeiten… Aber davon mehr im nächsten Beitrag.

Oelen

Wir basteln ein Zirkuszentrum

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